Gérman Toro Pérez

• Domus Daedali

for sopran, clarinet in b (also bass clarinet), harp, marimba (also xil.) vl., vla. and vlc. after the poem „El laberinto“ from J. L. Borges, 1997
15’.

First performance: ensemble „die Reihe“, auditory of the Austrian Radio, Vienna


Domus Daedali (zu Deutsch Labyrinth) geht von einem Gedicht Jorge Luis Borges’ aus, das sich mit dem Mythos von Theseus, aber aus der Sicht des Minotaurus befasst. Die Form des Stückes spiegelt jene des klassischen Labyrinths wieder: nicht Irrgarten sondern längstmöglicher Umweg zur Mitte und wieder hinaus.

El Laberinto

Zeus no podría desatar las redes
de piedra que me cercan. He olvidado los hombres que fui; sigo el odiado camino de monótonas paredes que es mi destino. Rectas galerías que se curvan en círculos secretos al cabo de los años. Parapetos que ha agrietado la usura de los días.

En el pálido polvo he descifrado
rostros que temo. El aire me ha traído en las cóncavas tardes un bramido o el eco de un bramido desolado.

Sé que en la sombra hay Otro, cuya suerte es fatigar las largas soledades que tejen y destejen este Hades y ansiar mi sangre y devorar mi muerte.

Nos buscamos los dos. Ojalá fuera
éste el último día de la espera.


Das Labyrint

Zeus könnte nicht die Steinnetze entflechten, die mich einsperren. Ich habe vergessen, welche Menschen ich früher war; ich folge dem verhassten Weg monotoner Mauern, der mein Schicksal ist. Gerade Galerien, welche sich nach Jahren in geheimen Kreisen biegen, Brustwehren, die der Wucher der Jahre aufgerissen hat.

In blassem Staub habe ich gefürchtete Spuren entziffert. In den Nachmittagen hat mir die Luft ein Brüllen oder das Echo eines trostlosen Brüllens überbracht.

Ich weiß, dass es im Schatten einen Anderen gibt, dessen Los es ist, die langen Einsamkeiten, die diesen Hades weben und wieder entwirren, zu ermüden, mein Blut zu ersehnen und meinen Tod auszukosten.

Wir suchen uns gegenseitig. Wäre nur dies der letzte Tag des Wartens.

Jorge Luis Borges

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• Drama em Gente

for 15 players and 6 voices after texts from Fernando Pessoa, 1992-93, 30’.
fl. in c (also picc. und g-fl.), ob. d’amore, clar. in a (also basscl.), ten.-sax (also alt.-sax), trp., hrn., trb., perc. (3 player), git., vl., vla., vlc., cb., sop., 2 ten., 2 bar., bass.

First performance: Festival Hörgänge, 11. 3. 2002, Konzerthaus Wien


„Drama em Gente“ basiert auf dem Œuvre des großen portugiesischen Dichters Fernando Pessoa (1888-1935). Der von Pessoa verwendete Ausdruck „Drama em Gente“ charakterisiert sein gesamtes Werk als „Drama in Personen statt Szenen oder Bildern“. Seine Oden und Gedichte, geschrieben in drei Sprachen (Portugiesisch, Englisch und Französisch) sind unter verschiedenen Namen entstanden und zum Teil auch unter verschiedenen Namen erschienen: Fernando Pessoa, Bernardo Soares, Alvaro de Campos, Ricardo Reis, Alberto Caeiro, Coehlo Pacheco, etc. Die Erfindung verschiedener Namen bei Pessoa (sein Name bedeutet auf Portugiesisch „Person“) geht weit über den gängigen Begriff des Pseudonyms hinaus, denn es handelt sich hier jeweils um Charaktere mit eigener Biographie und eigenem literarischem Stil, die auch unter sich in einem komplexen Netz von Beziehungen (Schüler - Meister, Briefwechsel, etc.) stehen. Die mitunter antagonistischen Positionen reichen vom äußerst subjektiven Anonymleben des Pessoa biographisch am nächsten stehenden Buchhalters Bernardo Soares, Autor des „Buches der Unruhe“ über den frenetischen und schonungslosen Futuristen Alvaro de Campos und den epikureischen Paganismus Ricardo Reis' bis zur naturverbundenen Ausgeglichenheit und Aufgeklärtheit „Meisters“ Caeiros. Pessoa hat diese Figuren, seine wahren Weggefährten in einem bis zu seinem Tod weitgehend in Anonymität und Untergrund geführten Leben als „Heteronyme“ bezeichnet.

Jeder Satz verwendet Texte und Textfragmente von einem Heteronym.

I. - Pessoa - Bernardo Soares
II. - Ricardo Reis
III. - Alvaro de Campos
IV. - Alberto Caeiro

Die Auswahl der Texte und Textfragmente reflektiert meine persönliche Interpretation der Hauptpersonen des Pessoaschen „Dramas“. Die gesamte Komposition versucht, die komplexe, prismatische Struktur von Persönlichkeit und Werk des Dichters zu projizieren, wo Zersplitterung, Widerspruch und Konflikt innerhalb eines Wesens nicht negiert und die Teile nicht in eine scheinbar harmonische Einheit gezwungen werden, sondern, zum Preis einer am Rand der Gesellschaft verbrachten Existenz, unmittelbar aufgelebt und ausgedrückt wurden.

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• La Luna

Song for sopran and piano after a poem from J. L. Borges, 1987.

First performance: Festival de Musica Contemporánea, Bogotá.


La Luna is the first piece of music I wrote after arriving to Vienna in 1986 and one of my first compositions ever. It is one of three pieces using poems by Jorge Luis Borges (Domus Daedali and …en continuo movimiento...).

The striking point about Borges is his ability to „see“ things in very different ways. Here the moon appears to him as the perseverant but constantly changing witness of the history of insomnia. She (the moon in spanish is a female) is not the same moon seen by our ancestors, she is a mirror of loneliness to mankind, and her light is not of silver but of gold.

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